Fenster
Wir leben in der Zeit der Fenster, sagte Gunnar zu
Norbert. Wir lesen, schreiben und rechnen in Fenstern, spielen und musizieren in
Fenstern, reden miteinander in Fenstern, schauen uns an in Fenstern, werden von
und in Fenstern erfaßt und beeindruckt, fasziniert, abgestoßen, zur Arbeit
angehalten, erotisch stimuliert, informiert, belogen, übers Ohr gehauen,
gewarnt, beleidigt, abgemahnt, koordiniert, belehrt, entdeckt, weitergeschaltet
oder entlohnt. All dies geschieht in Fenstern, viereckigen Fenstern, die wir
beliebig groß und klein machen, verschieben, anordnen, sortieren, einfärben,
hinterlegen oder abschalten können durch ein kurzes Zucken unseres rechten
Zeigefingers auf einer Taste. Das ist der Fortschritt. Du wirst im Fenster
gebohren - beliebig klein, im Fenster verwaltet - beliebig hinterlegt - und
stirbst im Fenster - beliebig eingefärbt. ISt das nicht Wahnsinn? Und immer
viereckig, niemals fünfeckig, rund oder oval...
Das kommt auch noch, sagte Norbert, warts ab, mit
Windows OO - oder so.
"Wer
denken läßt, wird kein Experte" (Manfred Spitzer, "Digitale Demenz",
2012)
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